Ach herrje, ist es schon wieder so weit? Alles Gute zum Muttertag!
Hier etwas zum Schmunzeln und zum Nachdenken:
Die Merci-Folie knistert zwischen den Fingern, in Regalen wird Platz freigeräumt für bunt verschmierte Bastelkunst. Holt die Blumenvasen aus dem Schrank, es ist Muttertag. Nächste Woche ist Vati dran, dann gibt’s Bier und Kurze. Dieses Jahr bitte mit Abstand über den Zaun hinweg, der Bollerwagen bleibt in der Garage.
Die für Eltern vorgesehenen Mai-Rituale sind so anachronistisch, dass es fast schon wieder putzig ist. Sie wirken wie aus der Zeit gefallen, und zwar umso stärker, je größer der Spagat wird, der Müttern an den übrigen 364 Tagen des Jahres abverlangt wird. Bayern öffnet die Blumenläden, Mutti räumt noch kurz die Homeschooling-Hefte vom Esstisch, damit Platz ist für einen bunten Strauß.
Und überhaupt: Hat Vati dran gedacht, für die kommende Woche den nächsten Schwung Arbeitsblätter auszudrucken? Ohne die Väter und alle anderen Elternteile lässt sich ein Muttertag nicht mehr denken. Die Gesellschaft ist weiter, als den Floristen lieb sein kann.
Das gesellschaftliche Bild einer modernen Mutter ist noch nicht gefunden. Es müsste eines sein, in dem Frauen sich nicht permanent entscheiden sollen, ob sie Karrierefrau oder Glucke sein möchten. Dazu braucht es andere Leitbilder als das der permanent für den Job verfügbaren Elternteile, die nebenbei die Steuerzahler/innen von morgen großziehen. Solche Leitbilder müssen in praktische Politik umgesetzt werden, von der Förderung von Teilzeitmodellen bis zur Qualitätsoffensive in der Tagesbetreuung. Dabei müssen auch Familien im Fokus sein, bei denen es überhaupt nicht darum geht, welcher Karriereschritt als nächstes angepeilt wird, sondern darum, die Miete für den nächsten Monat zu zahlen. Allzu oft sind es alleinerziehende Mütter, die vor derartigen Problemen stehen.
Die Pandemie kann der Anlass sein umzudenken
Das vergangene Jahr hat gezeigt, dass die Alltagsmodelle in vielen Familien auf Kante genäht sind. Im allgemeinen Wahnsinn war aber auch positive Überraschung zu vernehmen. Manche Eltern haben gestaunt, wie ihre Kinder aufblühten, als sie mehr Zeit zu Hause und weniger Zeit in der Kita verbrachten. Manche Familien haben die viele Zeit miteinander trotz allem genießen können und sehnen sich gar nicht danach, den vorpandemischen Alltag wieder aufzunehmen. Wie wäre es also mit der Einführung eines Elterntages?
Quelle: https://www.tagesspiegel.de/politik/wenn-die-merci-folie-knistert-muttertag-abschaffen-elterntag-feiern/27173328.html