von Barbara Pronnet
Weihnachten – Aufregung, Vorfreude, der Blick für alles Schöne und Gute. Mitgefühl, Nachsicht und die Unschuld eines Kindes erfassen das Gemüt. Meistens ist am ersten Weihnachtsfeiertag wieder Schluss damit. Wir denken an Sylvester, wie und wo man es hinter sich bringen wird und spätestens nach den Heiligen Dreikönigen gehen wir wieder unserem nüchternen Alltag nach.
Ich war eine Frau in den besten Jahren. Ich sehe durchschnittlich aus, ich verdiene durchschnittlich in einem kleinen Handwerksbetrieb als Buchhalterin. Überschwängliche Emotionen sind mir genauso fremd wie ständiges Geschnatter um unnützes Zeug.
Meine Geschichte begann vor einem Jahr kurz vor Weihnachten. Ich mied den Weihnachtsterror wo es nur ging. Im Betrieb herrschte eine ausgelassene Stimmung. Ich machte mich frühzeitig davon, um noch etwas spazieren zu gehen und lief zu unserem Stadtfriedhof. Der richtige Platz, um seine Ruhe zu haben. Es war totenstill. Plötzlich verharrte ich an einem Grab, deren Stein die Form eines Herzens hatte. Ein Kind lag dort begraben. Es wurde nur sechs Jahre alt. Es wurde am Heiligen Abend geboren und war auch letztes Jahr am Heiligen Abend verstorben. Ein kleines Bild zeigte ein Mädchen mit fröhlichem Lachen und braunen Zöpfen.
Ich starrte auf das Bild und mir zog plötzlich etwas durchs Herz, Mark und Bein. Ein warmes, leichtes und unglaublich intensives Gefühl strömte plötzlich durch meine Adern. Ich spürte eine mir völlig unbekannte Leichtigkeit und Freude. Schnell verließ ich das Grab und den Friedhof. Zu Hause verkroch ich mich gleich ins Bett und fiel in einen traumlosen Schlaf.
Etwas war mit mir geschehen. Ich freute mich über das Morgengrauen und empfand den Tag als mein persönliches Geschenk. Ich erlebte meinen ersten Weihnachtszauber. Alles fühlte sich gut und richtig an.
Am Anfang versuchte ich es noch zu ignorieren, stieß es immer wieder von mir. Aber es ließ mich nicht mehr los, dieses Gefühl. Ich nannte es bald mein Weihnachtsgefühl, denn auch lange nach den Feiertagen blieb es in meinem Herzen.
Es forderte mich auch, dieses unbekannte Gefühl und ich nahm eine ehrenamtliche Tätigkeit in einem Kindergarten wahr. Kinder verstanden mich am besten. Sie erfreuten sich im Hier und Jetzt und sahen dem Leben ohne Argwohn entgegen. Oft musste ich mich bremsen, um nicht andere mit meinem Frohsinn zu erschrecken.
Es war wieder Adventszeit geworden und wir bastelten im Kindergarten eine Krippe. Obwohl ich das ganze Jahr Glückseligkeit verspürte, war mein Gefühl zu dieser Zeit noch stärker geworden.
Eine Erzieherin erzählte eine Weihnachtsgeschichte. Als die Geschichte zu Ende war, erzählte die Frau den Kindern, dass ein kleines Mädchen diese Geschichte besonders mochte. Das Kind liebte Weihnachten über alles und es war am Heiligen Abend geboren und leider auch verstorben.
Mich überfiel ein Schaudern. Mein Weihnachtsgefühl zeigte sich das erste Mal an dem Grabstein der wie ein Herz aussah und ich erinnerte mich noch gut an das Bild von dem kleinen Mädchen mit den Zöpfen.
In der Mittagspause nahm ich die Frau zur Seite und erzählte ihr meine Geschichte. Sie sagte mir sie sei die Mutter des Mädchens. Ihre Tochter war ein glückliches Kind, dass nur Freude verbreitete. Weihnachten war ihre liebste Zeit.
Ich umarmte die Frau und sie ließ sich von mir trösten. Sie meinte, sie spürte eine wunderbare Wärme und Zufriedenheit, so als ob sie ihr Kind wieder in den Armen hält.
Versuchen Sie es doch auch. Irgendwo ist ein Gefühl, das nur auf sie wartet. Lassen Sie es in ihrem Herzen wohnen. Trauen sie sich ruhig. Warum sollte dann nicht jeder Tag ein bisschen wie Weihnachten für uns alle sein?