Wie sieht unsere Pflegedienstleitung Martin Böckenhauer seinen Beruf? 10 interessante Fragen …
1. Sie sind ja schon seit einigen Jahren in der Pflegebranche aktiv – wie kamen Sie dazu einen Job in diesem Bereich aufzunehmen?
Eigentlich wollte ich immer Versicherungskaufmann werden. Als ich mich im letzten Schuljahr befand, waren wir dann im Bildungs-Informationszentrum in Schwerin. Da habe ich einen Film über den Beruf Krankenschwester/Krankenpfleger gesehen und da wusste ich, das ist es. Ich habe dann erstmal auf Empfehlung eine einjährige Ausbildung zum Krankenpflegehelfer gemacht und im Anschluss die dreijährige Ausbildung zum examinierten Krankenpfleger.
2. Die Aussage, dass man „Dankbarkeit erhält“, habe ich schon öfter aus Bereichen wie der Pflege gehört. Sicherlich ist es in dem stressigen Alltag der Pflege eine tolle Rückmeldung, wenn die Gäste bei Ihnen noch einmal „aufblühen“, oder? Was macht die Arbeit mit den Gästen in einem Hospiz noch aus? Wie gehen Sie mit dem „Sterben“ um?
So genau kann man es nicht sagen, was das Großartige an der Arbeit im Hospiz ist. Ich glaube es sind die vielen kleinen Dinge, die das Ganze ausmachen. Was aber speziell ist, sind die Lebensgeschichten der Gäste, die man so erfährt, denn oft öffnen sich die Gäste nochmal in der letzten Lebensphase und erzählen gern aus ihrem Leben.
Für mich gehört das Sterben zum Leben dazu. Angst habe ich nicht davor aber Respekt.
Ich habe in meiner Ausbildung zur Palliativfachkraft mal die Frage von einem Palliativmediziner gestellt bekommen: „Können Sie sich an Ihre Geburt erinnern? Nein! Ich auch nicht, aber meinen Tod, den kann ich miterleben.” Zum Sterben gehören Ängste, Wut, Schmerzen und auch andere unschöne Dinge dazu, aber genau diese können wir nehmen und das ist das Großartige. Also ich bin gespannt, wie es ist, das eigene Sterben zu erleben, aber bis dahin habe ich noch viel Zeit, so Gott will ….
3. Kommen wir zu Ihrer derzeitigen Tätigkeit, der Pflegedienstleitung vom Hospiz Schloss Bernstorf. Wofür sind Sie dort verantwortlich und welche spannenden – und vielleicht auch nicht so spannenden – Aufgaben bringt diese Position mit sich?
Im Großen und Ganzen bin ich für die Geschicke im Pflegealltag zuständig. Bei mir laufen die ganzen Fäden zusammen z.B. Kommunikation mit Ärzten, Therapeuten, Angehörigen, der Hausleitung oder der Geschäftsleitung. Natürlich nicht zu vergessen ist das Pflegeteam bestehend aus Pflege und Gästebetreuung. Die Organisation der Zusammenarbeit steht hier mit an erster Stelle, was nicht immer so einfach ist. Dazu kommen dann noch Aufgaben wie Dienstplan schreiben, Dienstberatungen vorbereiten und leiten, Medikamentenkontrollen, immer ein offenes Ohr haben für die Mitarbeiter, Hygienevisiten. Dafür sorgen das Standards- und Verfahrensanweisungen umgesetzt werden und das alles in enger Zusammenarbeit mit meiner stellv. Pflegedienstleitung und der Hausleitung.
4. Können Sie uns auch einige lustige Geschichten aus Ihrem Arbeitsalltag erzählen?
Ach da gibt es so viele, hab lange überlegt, aber so wirklich weiß ich nicht welche ich erzählen soll….wir hatten mal eine Dame, die immer einen flotten Spruch auf der Zunge hatte … als ich sie fragte, wie das Essen so sei und ob sie selbst auch gern gekocht hat, meinte sie ganz trocken: „ich koch so gut ich kann und frisst es nicht mein Hund, so frisst es mein Mann“…ich hab so gelacht…
5. Welches Ereignis oder welche besonders schöne Geschichte ist Ihnen in Erinnerung geblieben?
Zum Anfang meiner Arbeit im Hospiz Bernstorf wollte ein Gast unbedingt noch einmal aufstehen und durchs Zimmer laufen, denn sie hatte seit Wochen nicht mehr das Bett verlassen. Aber durch positives Denken und mit Hilfe des gesamten Teams und dem Ehemann haben wir es gemeinsam am Heilig Abend geschafft, dass der Gast mit Unterstützung zweier Pflegekräfte durchs Zimmer lief. Das Strahlen im Gesicht der Frau sehe ich noch heute vor mir.
6. Zu Ihren Aufgaben zählt auch der Umgang und die Begleitung der Angehörigen. Stellt Sie das manchmal vor größere Herausforderungen?
Definitiv JA. Wie hat meine damalige Pflegedienstleitung immer gesagt: Pflege könnte so schön sein, wenn nicht die Angehörigen wären. …aber ich kann jeden Angehörigen verstehen und selbst ich bin nicht einfach, wenn es um meine Familie geht. Da bin ich dann nicht der Krankenpfleger, sondern einfach nur der besorgte Angehörige.
7. Wie gehen Sie mit Ihrem Berufsleben/ Berufsalltag um? Stimmt es, dass die Arbeitszeit manchmal 50-60 Stunden pro Woche beträgt, müssen Sie ständig erreichbar sein oder führen Sie einen geregelten Arbeitsalltag.
Also ich habe eine gute Balance zwischen Arbeit und Privat gefunden. Es ist zwar nicht immer ganz einfach den Beruf vor der Haustür zu lassen, aber im Großen und Ganzen geht es. Zu meiner Zeit als PDL im ambulanten Pflegedienst, da stimmte es schon, dass die Woche 50-60 h hatte und rund um die Uhr die Erreichbarkeit gegeben sein musste. Hier im Hospiz ist es anders. Natürlich wissen die Kollegen, dass Sie mich immer anrufen können, aber in den meisten Fällen können Sie sich alleine helfen. Und zum Glück gibt es ja noch meine Stellvertretung und die Hausleitung.
8. Wenn junge Leute, die vor der Berufswahl stehen, Sie fragen würden, ob sie sich für einen Beruf im Pflege-/ Gesundheitswesen entscheiden sollen – was würden Sie ihnen raten? Und würden Sie den gleichen Rat reiferen Personen geben, die sich nach einer neuen Aufgabe umsehen?
Grundsätzlich freue ich mich über jeden der in der Pflege arbeiten möchte und wir brauchen jungen Nachwuchs. Neben der fachlichen Reife sollten sie aber auch die persönliche Reife mitbringen. Ich persönlich würde jeder Person raten, einfach mal ein mehrwöchiges Praktikum zu absolvieren. In dieser Zeit kann man sich einen Überblick verschaffen und merkt ganz schnell, ob es wirklich das Richtige ist.
9. Sie können auf viele Jahre Berufserfahrung in der Pflege zurückblicken. Welche Eigenschaften sollte man ansonsten unbedingt mitbringen, um Spaß am Job zu haben?
Ich habe diese Frage mal im Team gestellt, da kam ganz spontan „Starke Nerven“…kann ich bestätigen. Außerdem sollte man grundsätzlich Spaß an dem haben, was man tut. Einfühlsamkeit, gute Auffassungsgabe, Flexibilität, Spontanität, Kreativität, gut zuhören können und bestimmt noch vieles mehr.
10. Werden wir zum Schluss kurz politisch: Was ist Ihre Meinung zur momentanen Situation in der Pflege? Was hat sich in den letzten Jahren geändert und was müsste sich eventuell in Zukunft ändern? Wo gibt es Schwachstellen und was hat sich verbessert?
Na ja, Pflegenotstand, das Wort kennt jeder und ich denke, der wird so schnell auch nicht vorbei sein…Erst wenn der Berufsstand der Pflege wieder einen anderen Stellenwert in der Gesellschaft und Politik bekommt, wird sich auch was ändern. Da helfen uns auch nicht gerade Pflegekräfte aus anderen Ländern, weil wir am Beispiel Spanien sehen, dass die Kräfte, die hier ausgebildet worden sind, fast alle Richtung Skandinavien weiter gezogen sind, wo der Beruf in der Pflege einen viel höheren Stellenwert hat.
Wir brauchen keine Pflegekammer ohne Befugnisse, wenn dann sollte diese bundesweit agieren mit Entscheidungen und Gesetzgebend und nicht nur Länder bezogen. Die Bürokratie sollte weniger werden, trotz Reformen wird es immer mehr und die Zeit am Patienten immer weniger.
Eigentlich sollten unsere Entscheider mal dahin, wo es wirklich „brennt“ und nicht immer nur mit Vorständen irgendwelcher Gesellschaften oder Verbänden sprechen, den Chefs usw.. Nein, die einfache Pflegekraft/ Betreuungskraft von der Station, die braucht Gehör.
Was hat sich verbessert, gute Frage? Das kann ich nicht beantworten…Ich kann nur für mich persönlich sprechen und ich habe mir das Beste rausgesucht, dass erfahre ich täglich aufs Neue, wenn ich unsere Gäste im Haus sehe.